Ökobilanz und CO2-Fußabdruck – zwei Seiten einer Medaille?

Ökobilanz und CO2-Fußabdruck – zwei Seiten einer Medaille?

Eine Ökobilanz betrachtet sämtliche Umweltwirkungen, die ein Unternehmen, eine Kommune, eine Organisation jeglicher Art verursacht. Der CO2-Fußabdruck betrachtet davon eine Teilmenge, die CO2-Emissionen (bzw. CO2-Äquivalente), die eine Organisation direkt oder indirekt verursacht. Sowohl Ökobilanz als auch CO2-Fußabdruck können auf Unternehmen oder Organisationen angewendet werden, sowie auch für Produkte, Prozesse und Dienstleistungen.

Ökobilanz

Die Ökobilanz ist ein Verfahren, um umweltrelevante Vorgänge zu erfassen und zu bewerten. Ursprünglich vor allem zur Bewertung von Produkten entwickeln, wird sie heute auch bei Verfahren, Dienstleistungen und Verhaltensweisen angewendet. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betrachtet ist eine Ökobilanz dann ideal, wenn ein geschlossener Kreislauf erreicht wird. Dieser Kreislauf spiegelt die höchstmöglich erreichbare Ressourceneffizienz wider.

Für die Erstellung von Ökobilanzen ist die Befolgung von zwei Grundsätzen wichtig. Zum einen die medienübergreifende Betrachtung. Sie umfasst alle relevanten potenziell schädlichen Wirkungen auf die Umweltmedien Boden, Luft und Wasser durch das betrachtete Unternehmen. Zum anderen haben wir die sogenannte stoffstromintegrierte Betrachtung. Damit sind alle Stoffströme gemeint, die mit dem betrachteten System verbunden sind (z.B. Rohstoffeinsätze und Emissionen aus Vor- und Entsorgungsprozessen, aus der Energieerzeugung, aus Transporten und anderen Prozessen).

Definition

Gemäß den Regeln der Norm DIN EN 14040 umfasst eine Ökobilanz die Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen, eine Sachbilanz, die Wirkungsabschätzung und eine Auswertung der erfassten Daten. Nach der Festlegung der Ziele und des Umfangs der Ökobilanz sind anschließend die wesentlichen Elemente zu erfassen und zu beschreiben

Es beginnt mit der sogenannten Sachbilanz der Stoff- und Energieströme über den gewählten Lebensweg. Innerhalb der unternehmensspezifischen Systemgrenzen erfasst und bilanziert sie die Input- und Output-Größen.

Als nächstes ist optional die Errichtungsphase zu beschreiben. Welche umweltrelevanten Vorgänge gibt es beim Transport zur Baustelle und beim Einbau von Systemen und Anlagen in das Gebäude? Danach folgt die ebenfalls optionale Nutzungsphase. Wie verläuft Nutzung, Anwendung, Instandhaltung, Ersatz, und Erneuerung des Produkts / System / Anlage, sowie der Energieeinsatz und Wasserverbrauch?

Optional erfolgt nun die Erfassung der Entsorgungsphase. Welche umweltrelevanten Dinge passieren bei Rückbau oder Abriss und beim Transport zur Abfallbehandlung? Wie erfolgt die Wiederverwendung, Rückgewinnung bzw. Recycling oder die Beseitigung des Produkts, des Systems, der Anlage?

Das Bild zeigt eine Ökobilanz in Form einer Waage und zeigt symbolisch eine Kreislaufwirtschaft an

Dann wird beschrieben und erfasst, was in das Produkt, das System, die Anlage hinein und hinaus geht. Der Input in Form von Energie, Wasser, Rohmaterial, Vorprodukte, Flächennutzung, sowie weitere Angaben wie beispielsweise Druckluft, Kraftstoffe oder Hilfsstoffe. Der Output in Form von Abwärme, Emissionen in Luft, Wasser und Boden, Abfälle und erzeugte Produkte sowie Nebenprodukte wird erfasst. Abfälle müssen in gefährliche Abfälle zur Deponierung, ungefährliche Abfälle zur Deponierung und radioaktive Abfälle untergliedert werden.

Wirkungsabschätzung

Ist die Bilanzierung abgeschlossen folgt die Wirkungsabschätzung. Dabei wird Größe und Bedeutung von potenziellen Umweltwirkungen eines Produktsystems über den Verlauf der Lebenszyklusphasen erkannt und beurteilt. Dies geschieht durch Bezug auf die Inputs und Outputs der Sachbilanz.

Nun erfolgt die Auswertung. Dabei werden signifikante Parameter der Ökobilanz beschrieben und beurteilt, Schlussfolgerung gezogen und Empfehlungen ausgesprochen.

Alle Punkte der Ökobilanz werden in einem Bericht zusammengefasst. Er beschreibt detailliert und möglichst verständlich die Ziele, den Umfang der Untersuchung, die Sachbilanz, sowie die Wirkungsabschätzung. Der Bericht enthält auch die notwendigen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Bilanz. Mit Hilfe des Berichts erkennt die betroffenen Organisation vorhandene und zukünftige Umweltwirkungen durch ihre Geschäftstätigkeit. Sie kann dann geeignete Maßnahmen zur Vermeidung oder Kompensation ergreifen.

Die Ökobilanz ist Voraussetzung für eine Kreislaufwirtschaft

Welche Empfehlungen und Maßnahmen leiten sich aus einer Ökobilanz ab? Es sollte in jedem Fall ein möglichst konkret Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Ökobilanz erstellt werden, zusammen mit einem entsprechenden Kommunikationskonzept zu allen Anspruchsgruppen des Unternehmens (Stakeholder).

Die Ökobilanz ist Basis zur Beurteilung der Ökoeffizienz der betroffenen Organisation und ihrer Produkte. Auch wenn viele Geschäftsführer und Vorstände dem Thema immer noch skeptisch gegenüberstehen, sind zweifellos viele Vorteile vorhanden, die durch Ökoeffizienz-Projekte für ein Unternehmen entstehen können. Eine größere Ökoeffizienz führt in der Regel auch zu einer Effizienzsteigerung der Produktion. Die Verringerung des Rohstoff- und Energie-Einsatzes senkt wiederum die Produktionskosten. Die Erstellung einer Ökobilanz ist der ideale Anlass zur Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern in den Bereichen Umwelt, Produktion und Kosten. Außerdem entstehen oftmals Synergieeffekte durch Kooperationen mit anderen Unternehmen und Organisationen, die den gleichen Weg gehen. Die Einführung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft im Unternehmen ist damit relativ einfach möglich.

CO2-Fußabdruck

Generell wird hier unterschieden in den CO2-Fußabdruck für Produkte (PCF: Product Carbon Footprint) und für Unternehmen (CCF: Corporate Carbon Footprint).

Der CO2-Fußabdruck oder die CO2-Bilanz ist das Gesamtmaß von CO2-Emissionen und/oder Treibhausgasemissionen (THG) in CO2-Äquivalenten (CO2eq). Der CO2-Fußabdruck ist ein hilfreiches Mittel um die Klimaauswirkungen von Produkten, Dienstleistungen und Organisationen zu ermitteln. Die Größenordnung der wichtigsten Sektorenbeiträge ist in dem nachfolgenden Bild dargestellt.

Der CO2-Fußabdruck eines Produktes bezeichnet die Bilanz der THG-Emissionen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts (cradle-to-cradle). Der Produktzyklus umfasst dabei die gesamte Wertschöpfungskette. Von der Herstellung, Gewinnung und Transport der Rohstoffe und Vorprodukte über die Produktion und Distribution zur Nutzung und ggf. Nachnutzung. Abschluss des Produktzyklus ist die Entsorgung bzw. Recycling des Produkts.

Der CO2-Fußabdruck einer Organisation wird oft erstmals für den Nachhaltigkeitsbericht erstellt. Der Corporate-Carbon-Footprint erfasst dabei den gesamten CO2-eq-Ausstoß in den spezifischen Systemgrenzen des Unternehmens, den IPCC-Systemgrenzen aus dem „Greenhouse Gas Protocol“ (http://www.ghgprotocol.org/ ).

Unternehmen, die sich auf den Weg in Richtung Nachhaltigkeit aufgemacht haben, erkennen sehr schnell, dass die Ermittlung des eigenen CO2-Fußabdrucks eine wichtige und unerlässliche Ausgangsbasis für alle weiteren Schritte des Nachhaltigkeitsmanagements ist. Für die Erstellung einer Ökobilanz ist er einer der wichtigsten Indikatoren.

Den Systemgrenzen kommt dabei eine besondere Bedeutung vor. Wo beginnt und wo endet die Verantwortung der jeweiligen Organisation bezüglich Treibhausgasemissionen? Das Greenhouse-Gas-Protocol bietet hier eine Definition, die es relativ einfach macht, die Verantwortlichkeiten zu erkennen. Mit den sogenannten „Scopes“ erfolgt eine Einteilung in direkt zu verantwortenden Treibhausgasemissionen und in indirekt zu verantwortenden Emissionen.

Bei der Erstellung des CO2-Fußabdrucks empfiehlt es sich, die Emissionen im Verantwortungsbereich des Unternehmens anhand der Scopes zu gliedern. Dabei umfasst Scope 1 alle direkt durch die Organisation verursachten Treibhausgasemissionen und Scope 2 alle indirekten THG-Emissionen. Danach kann optional noch der Scope 3 erfasst werden, alle indirekten THG, die nicht direkt verantwortet werden, jedoch indirekt durch die Organisation verursacht werden.

Direkte oder indirekte Verantwortung?

Das liest sich ein wenig theoretisch, nicht wahr? Daher soll das nachstehende Beispiel für ein übliches mittelständisches Unternehmen in Deutschland die Scopes veranschaulichen:

  • das eigene Blockheizkraftwerk (BHKW), Fuhrpark des Unternehmens: Scope 1
  • der bezogener Strom, die bezogene Wärme durch ein Energieversorgungsunternehmen: Scope 2
  • die notwendige Infrastruktur, z.B. Autobahnzubringer der für die Organisation gebaut wurde, Emissionen der Dienstleister, Abfallentsorgung, Produktnutzung, ausgelagerte Aktivitäten: Scope 3

Zur Erstellung des CO2-Fußabdrucks ist also zuerst die Gliederung in Scopes empfehlenswert. Anschließend erfolgt die Erstellung der entsprechenden THG-Bilanz, also die Berechnung der entsprechenden Emissionen in CO2-Äquivalenten (CO2eq).

Die notwendigen Energiewerte und Treibstoffwerte müssen zunächst für das betroffene Unternehmen ermittelt werden, was beim ersten Mal mehr oder weniger aufwendig sein kann. Die Emissionsfaktoren können dagegen leicht aus den Jahresrechnungen der Energieversorger entnommen werden, die in Deutschland dort ausgewiesen werden müssen. Es finden sich aber auch weitere Aufstellungen nationaler und internationaler Emissionsfaktoren im Internet, u.a. auch auf der Seite des Umweltbundesamtes. Die Emissionsfaktoren ändern sich jährlich und spiegeln die Erfolge und Misserfolge auf dem Weg der Energiewende wider.

Der Aufwand zur Erstellung des CO2-Fußabdrucks sollte jedoch nicht entmutigen. Zusammen mit der Ökobilanz ermöglicht der CO2-Fußabdruck den Aufbau eines effizienten Nachhaltigkeitsmanagements und einer Kreislaufwirtschaft im Unternehmen und ist unverzichtbare Grundlage jedes Nachhaltigkeitsberichts.

Ökobilanz und CO2-Fußabdruck – zwei Seiten einer Medaille

Sind nun Ökobilanz und CO2-Fußabdruck wirklich zwei Seiten einer Medaille?

Im Prinzip ja, wenngleich die Ökobilanz die Umweltauswirkungen im Fokus hat und der CO2-Fußabdruck klar auf die Klimawirkung zielt. Beiden Seiten der Medaille ist jedoch gemeinsam, dass sie einen Weg in Richtung Nachhaltigkeit aufzeigen. Einen Weg, den jedes Unternehmen gehen muss, das sich zu einer nachhaltigen Organisation transformieren will. Eine Ökobilanz mit entsprechendem CO2-Fußabdruck der betroffenen Organisation sind zwei Aspekte eines gemeinsamen und erfolgreichen Pfads für Unternehmen zur Nachhaltigkeit.

Der richtige Ansatz

Welcher dieser Aspekte – Ökobilanz oder CO2-Fußabdruck – aber ist nun für welches Unternehmen der richtige Ansatz?

Die Frage lässt sich pauschal nicht beantworten, dazu gibt es zu viele Rahmenbedingungen in jedem Unternehmen, die betrachtet und bewertet werden müssen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass für energieintensive Unternehmen beispielsweise im Maschinenbau der CO2-Fußabdruck den einfacheren Aufsatzpunkt darstellt, da THG-Emission und Energieverbräuche hier oft direkt proportional sind. Für produzierende Unternehmen mit einer großen Lieferkette und zahlreichen Vorprodukten ist dagegen oftmals die Ökobilanz der bessere Ansatz, da hier der Ressourcenverbrauch die bestimmende Größe ist.

Schlussendlich ist es egal, wie ein Unternehmen hier beginnt. Die Erstellung eines CO2-Fußabdrucks führt in letzter Konsequenz auch immer zu einer Ressourcen- bzw. Ökobilanz. Und bei der Erstellung einer Ökobilanz ist das Thema Energieverbrauch und damit auch THG-Emissionen immer ein wesentlicher Bestandteil. So gesehen, sind es wirklich zwei Seiten einer Medaille und damit spielt es keine Rolle mit welchem der beiden Methoden der Start erfolgt.

Beide Seiten der Medaille sind daher wichtige Bestandteile am Anfang jeden Nachhaltigkeitsmanagements. Ein Nachhaltigkeitsmanagement, das als sehr wichtiges Steuerinstrument für jedes Unternehmen die Transformation zur Nachhaltigkeit und zu einer Kreislaufwirtschaft möglich macht.

Schließlich und endlich führt die Ökobilanz zum CO2-Fußadruck und umgekehrt. Reine Geschmackssache.


Ökobilanz und CO2-Fußabdruck – Fazit

Eine Ökobilanz und ein CO2-Fußabdruck sind zwei Aspekte der selben Sache. Sie sind beide notwendig um ein Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Beide Seiten der Medaille führen zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft.

mehr zum Thema: Nachhaltigkeit messbar machen


Michael Wühle

Michael Wühle ist Experte für Nachhaltigkeit. Er schreibt Artikel und Sachbücher zur praktischen Anwendung von Nachhaltigkeit im beruflichen und privaten Leben. Sein Expertenwissen gibt er gerne in Seminaren und Workshops weiter. Unternehmen unterstützt er bei der Transformation zu Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität.

das Profilbild von Michael Wühle, Experte für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz
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